Reparatur eines Tektronix TDS540

28.04.2018

Der Delinquent

Bereits im Jahr 2016 konnte ich ein Tektronix TDS540 der Urversion A ergattern. Es handelt sich dabei um ein Vierkanaloszilloskop, das eine Analogbandbreite von 500 MHz besitzt. Gerade die Möglichkeit, vier Signale im zeitlichen Zusammenhang darzustellen, hat seinen Reiz. Einfache SPI Verbindungen lassen sich so analysieren, wenn man - wie ich - keinen Logicanalyzer zur Hand hat. Zudem ist die hohe Bandbreite heutzutage schon im "Hausgebrauch" nützlich, falls die Fehlersuche bei einem größeren Mikrocontroller mit bis zu 120 MHz Taktfrequenz auch mal das Messen eines Signals mit hohen Frequenzanteilen beinhaltet.

Ein paar kurze Informationen aus der Bedienungsanleitung(für welche ich hier keine Gewähr übernehme!):

Zu Beginn verweise ich zudem an den äußerst hilfreichen Reparaturbericht von amplifier.cd [1], den ich im weiteren Verlauf noch öfter zitieren werde.

Zuerst folgender Hinweis: Wer an solchen Geräten bastelt, sollte wissen, was er/sie/x tut! Ich übernehme keinerlei Haftung für entstandene Schäden an Sachgütern oder Personen!!

1. Acquisition Fail

Wie so viele Oszis dieses Typs wies auch dieses hier beim ersten Anschalten den Fehler "Acquisition Fail" auf. Bei manchen Exemplaren ist wohl noch ein zittriges, verrauschtes etwas, das die Bezeichnung "Signal" nicht ganz verdient, zu sehen. In meinem Fall war nach kurzer Zeit gar nichts mehr zu erkennen. Nagut ...

Wie unter anderem hier [1] dargelegt, ist mindestens ein Teil dieses Problems den über die Jahrzehnte ausgetrockneten oder sogar ausgelaufenen Elektrolytkondensatoren geschuldet. Hierzu gab es im Laufe der Jahre wohl mehrere "Vorfälle", Wikipedia hat zu einem einen Artikel mit bezeichnendem Namen: Capacitor Plague. Das kann ja was werden.

Bestandsaufnahme und Zerlegung

Während in dem oben genannten Reparaturbericht die Schäden wohl sofort offensichtlich waren, konnte ich die Schäden erst bei genauem Hinsehen erkennen. Hier also die ersten Bilder, fotografiert kurz nach dem Öffnen:

1.1 Draufsicht wie erwartet staubig

1.2 Auch die Wandler(unter den vier großen Kühlkörpern) stauben vor sich hin

Auf das Netzteil habe ich keinen intensiveren Blick geworfen, es scheint zuverlässig zu arbeiten und hat keine kritischen Elkos verbaut. Frei nach: If it ain't broken, don't fix it. Dasselbe wende ich auf den Bildröhrenteil an. Wer sich dazu die Schaltpläne ansieht, stellt fest, dass die Arbeit daran schnell gefährlich werden kann. Daher werde ich mir, sollte sich damit ein Problem ergeben, fachkundigere Hilfe holen. Das Netzteil ist mitsamt dem Bildröhrenteil nach dem Sandwichprinzip zwischen das Prozessor Board (oben) und das Acquisition Board (unten) in den massiven Rahmen eingebaut.

Die beiden außenliegenden Boards habe ich zunächst mit dem Staubsauger auf niedriger Stufe und mittels eines feinen Pinsels (bitte keine Plastikfasern! --> ESD) gereinigt.

Das Ergebnis sah so aus:

1.3 Nach der ersten Grundreinigung

Ausbau der Boards

1.4 Verschiedene Steckverbindungen auf dem Prozessor Board

Um die Boards auszubauen, gehe man folgendermaßen vor (am Beispiel der Prozessorplatine, siehe rechts):

Für das Acquisition Board:

1.5 Die Platine des Frontpanel

Die Platine des Frontpanel ist scheinbar jüngeren Datums und schon einmal getauscht worden. Daher lasse ich diese so, wie sie ist.

Ist der Ausbau geschafft, kann mit der genaueren Inspizierung der Boards begonnen werden.

Der Schaden durch defekte Elkos

Ich hatte eingangs schon erwähnt, dass mir die große Sauerei mit ausgelaufenem Elektrolyt wohl erspart geblieben ist. Die Elkos müssen trotzdem alle raus. Warum, dazu siehe folgende zwei Bilder:

1.6. Der Teufel steckt im Detail: Mittig im Bild ist der Ansatz einer korrodierten Lötstelle erkennbar...

1.7. ...und hier eine dieser Lötstellen nach dem Entfernen des Elko

Bei fast 90% der Elkos bot sich einem das gleiche Bild (1.7). Bei den meisten ging das Entfernen auch recht schnell, sobald die Methode ausgereift genug war. Beim Entfernen des Ersten habe ich sofort eines der beiden Lötpads auf der Platine mit abgerissen (schei***...) und dann über einen Wechsel der Strategie nachgedacht. Ich habe nur einen Lötkolben zur Verfügung, kann also nicht beide Pads gleichzeitig erhitzen. Das bedeutet aber auch, dass beim Erhitzen und anheben das jeweils kalte Pad aus der Platine gehebelt wird. Ich wusste, dass mir so bei jedem einzelnen Elko mindestens ein Pad abhandenkommen würde.

Deshalb habe ich auf folgende Methode zurückgegriffen (ohne Gewähr!): Ich habe zwei Zangen benutzt. Mit der ersten habe ich die schwarze Halterung des Elko in seiner Position festgehalten (nur festhalten, keine Kraft in irgendeine Richtung ausüben!), mit der anderen den Elko dann zuerst um 90° in eine Richtung, dann um 270° in die Gegenrichtung gedreht. Folge: Die Drähte des Elko brechen exakt an der schwarzen Halterung ab, die Platine bleibt unbeschädigt. Jetzt kann die Halterung weg und die Pads können einzeln von den Resten und altem Lötzinn befreit werden. Ich habe jede Lötstelle danach mit 90 %igem Alkohol aus der Apotheke gereinigt. Der von mir benutzte Alkohol trocknet rückstandsfrei ab. Manchmal wird wohl noch ein Zusatz hineingemischt, der einen dünnen Film zurücklässt. An manchen Stellen wird diskutiert, ob dieser Rückstand später Einfluss auf die Funktion hat, daher habe ich gezielt nach einem rückstandsfrei trocknendem Alkohol gesucht.

Bereits beim Auslöten der ersten paar Elkos machte sich ein deutlicher Fischgeruch bemerkbar. Dieses "Fischeln" ist in der Retrocomputingszene bekannt - es deutet auf einen defekten Elko hin. Wenn also optisch alles in Ordnung ist, der Fisch aber buchstäblich vom Kopf stinkt, ist ein großzügiges Ersetzen der Bauteile nötig.

Die VCO Platine

Wie auch hier [1] erwähnt, befindet sich auf dem Acquisition Board noch die VCO Platine, die senkrecht auf dem Acquisition Board steht. Während in [1] die Empfehlung ausgesprochen wird, diese auszubauen, habe ich dies nicht getan. Hauptgrund dafür ist, dass die Steckverbindungen durch mehrere Lagen der Platine herausgezogen werden müssen. Dazu muss aber garantiert sein, dass das Lötzinn in allen Pins stets flüssig ist, um in der Platine keinen Schaden zu verursachen. Dies sollte zwar mit einer guten Heißluftstation zu schaffen sein, ich hatte mich trotzdem dagegen entschieden.

Von einem mechanischen Abtrennen der Verbindung zum Acquisition Board würde ich ohnehin abraten, da die Krafteinwirkung bei beiden Platinen Schaden hinterlassen kann.

1.8 Die VCO Platine: deutliche Korrosion an C103 erkennbar

Ich habe die Hauptplatine senkrecht gestellt, sodass die VCO Platine parallel zum Tisch vor mir lag, diesen aber nicht berührt hat (Krafteinwirkung !). So konnte ich auch diese beiden Elkos recht bequem tauschen.

Die Hoffnung: erster Test

Nachdem die langwierige Arbeit des Elkotausches überstanden war (zwei Tage), habe ich das Oszi notdürftig zusammengebaut, und angesichts mangelnder Erfolge anderer (siehe auch hier [1]) nur mit wenig Verbesserung gerechnet.

Genau so war es auch.

Der "Acquisition Fail" war immer noch da, allerdings hatte ich zum ersten Mal saubere Signalverläufe. Es war also nicht alles umsonst.

1.9 Erster Betrieb nach dem Tausch der Elkos

Aber: Beim Anlegen des ersten Testsignals musste ich feststellen, dass der Trigger das Signal immer wieder verliert und dass das Signal zeitweise Aussetzer hat. Zuerst hatte ich eine exotische Voreinstellung vermutet, schnell war aber klar, dass der Trigger im einfachen Rising-Edge Modus lief und auch das Trigger-Level unkritisch war. Mist. So ist das Teil nicht wirklich brauchbar. Also habe ich die Energieversorgung getrennt und mich auf den nächsten Teil eines Dramas eingelassen.

2. Der zickende Trigger

Das Problem der Schaltpläne

An dieser Stelle ist eine genauere Kenntnis der Schaltung auf den Boards und ein klein wenig Instinkt nötig. Ich stieß hier auf dasselbe Problem, das auch etliche meiner Vorgänger hatten. Zum TDS540 selbst gibt es kaum Material, was sich aber leicht finden lässt, ist das "Component Level Diagnostic and Repair Manual" für das TDS520, also den zweikanaligen Bruder des TDS540. Besonders fasziniert haben mich die schier endlosen Fehlersuchbäume (wenn x kaputt ist, überprüfe Komponente y und fahre mit Baum z fort). Es kann die Fehlersuche deutlich vereinfachen, die Schaltpläne selbst sollte man zwar lesen, es ist aber nicht nötig, jeden einzelnen Pfad mit dem Finger nachzufahren.

Das hilft einem nur wenig, wenn der Fehler auf dem Acquisition Board auftritt. Das ist deutlich größer und komplexer als das des TDS520. Gleicht man den Bauteileplan des 520er ACQ(Acquisition) mit dem Board des 540 ab, finden sich zwar Parallelen, die ein grundlegendes Verständnis für den Zweck mancher Komponenten fördern, mehr aber auch nicht.

Was bei beiden Typen gleich zu sein scheint, ist die Prozessorplatine, das ergibt auch Sinn. Warum sollte Tektronix bei so nahe verwandten Geräten auf andere Platinen setzen? Die hierfür nötige Entwicklung und extra Fertigung wurde wohl gespart. Bei Fehlern auf dem Prozessorboard ist das Manual des TDS520 also durchaus zu gebrauchen.

An der Stelle drängte sich mit die Frage auf, ob das vielleicht auch auf das Acquisition Board zutrifft, sprich, dasselbe Board auch in einer anderen Serie verbaut wurde.

Beim TDS544A wurde ich fündig. Für dieses gibt es den Scan der Schaltpläne und des Bauteileplans. Ein kurzer Abgleich zeigt, dass die Sektion der Wandler und die des Triggers exakt mit der Lage und der Bezeichnung der Teile auf dem Board des TDS540 übereinstimmt. Bedauerlicherweise fehlt in dem Scan die Sektion des Acquisition Memory, also der Hälfte "über" den Wandlern. Zur Not muss man sich diesen Teil also wieder aus dem TDS520 Manual zusammenreimen.

All diese Schaltpläne habe ich in den "Manuals" unter folgender Seite gefunden: www.ko4bb.com

An dieser Stelle sei festgehalten:

Überprüfung des Prozessorboards

Hier ist auf den ersten Blick kein defekter IC zu finden, in der 1:1 Vergrößerung (Link hinter jedem Bild) lässt sich jedoch sehr schön die zweite Lage der Leiterbahnen unter der Oberfläche erkennen. Diese Bilder können den Abgleich mit gefundenen Schaltplänen erleichtern, deshalb habe ich sie hier noch einmal zusammengestellt.

Defekte ICs auf dem Acquisition Board

Hier wird es schon unübersichtlicher, zunächst sollte nach offensichtlichen Beschädigungen und Alterserscheinungen Ausschau gehalten werden. (Klicke auf die Bilder für Vergrößerung)

Die Bilder oben sind nach der Reinigung und vor dem Tausch der Elkos entstanden. Die meisten ICs scheinen in Ordnung zu sein, doch in dem unteren rechten Teil finden sich zwei TL074C, bei denen die Beschriftung kaum noch zu lesen ist (U1550 und U506, rot markiert). Alle umliegenden ICs sind unbeschädigt. Scheinbar sind diese Chips im Laufe der Jahre kaputtgegangen, die genaue Ursache des Defekts lässt sich nicht feststellen.

Im Schaltplan zeigt sich, dass der U1550 Teil der Triggersteuerung ist. Fällt dieser aus, wird die Trigger-Level Spannung für die Trigger ICs U1551 und U1552 nicht richtig weitergegeben (daher wohl das gelegentliche "Ausbüxen" des Signals).

Die beiden ICs wurden mit einer Heißluftstation vorsichtig ausgelötet. Und wie zu befürchten löst sich ein Pad am U506 von der Platine. Da das Pad nicht vollständig abgerissen war, hatte ich noch die Hoffnung, den neuen Chip auflöten zu können und trotzdem ein funktionierendes Oszi zu bekommen.

Nach dem ersten Anschalten zeigte sich: Es wird nun gar kein Strahl mehr angezeigt. Der Trigger verharrt im "ARM" Status und auf dem Bildschirm erscheint über der gähnenden Leere ein "Waiting for Trigger". Och nö. (Von diesem Desaster gibt es kein Bild, die Nerven dazu hatte ich nicht.)

Nach langem Prüfen aller Verbindungen stellt sich heraus, dass nur das beschädigte Pad tatsächlich gebrochen war. Mist. Den Chip also noch einmal ausgelötet und festgestellt, dass unter dem Chip selbst eine Durchkontaktierung für genau dieses Pad liegt. Diese war noch intakt, also habe ich kurzerhand eine zwei Millimeter lange, flache Drahtbrücke so in die Kontaktierung verlegt, dass sie nach außen hin das Pad ersetzt. Dass dies alles andere als ideal ist, ist mir bewusst, jedoch ist es eine deutlich bessere Alternative, als das komplette Board zum Schrott zu geben.

Und nachdem ich den Chip wieder eingesetzt hatte, wurde ich mit dem lang ersehnten Anblick belohnt:

60 MHz sauber getriggert

Was zu tun bleibt:

Fragen, Anmerkungen an: afk @ daichronos.net

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